Die „Unverletzlichkeit der Wohnung“ ist ein im deutschen Grundgesetz verankertes Grundrecht, allerdings in vielen Fällen nur im philosophischen Sinne gegeben. Noch immer werden zu viele Ein- und Mehrfamilienhäuser konstruktiv nicht ausreichend wehrhaft gegen Einbruchsversuche errichtet. Das ist umso fataler, als die Zahl der Einbrüche in Deutschland hoch ist. Die Täter verursachen einen Schaden von jährlich vielen hundert Millionen Euro. Experten und Versicherer fordern deshalb vermehrt den Einsatz von Baukonstruktionen, die Einbruchsversuchen möglichst lange widerstehen. Geprüfte Trockenbausysteme bieten hier einen gleichermaßen verlässlichen wie wirtschaftlich zu realisierenden Schutz.
Der Einbruchschutz von Bauelementen wird nach der europäischen Basisnorm DIN EN 1627 Türen, Fenster, Vorhangfassaden, Gitterelemente und Abschlüsse – Einbruchhemmung – Anforderungen und Klassifizierung geprüft und klassifiziert. Sie beschreibt deren einbruchhemmende Eigenschaften. Für Bauteile, in die die Elemente eingesetzt werden, gibt es bisher keine eigene Prüfnorm. Einige Prüfstellen prüfen jedoch auch Wandbauteile in Anlehnung an die DIN EN 1627, klassifizieren dann aber teils nach eigenen Kriterien, sodass es hinsichtlich der Einbruchhemmung von Bauteilen unterschiedliche Klassifizierungen gibt, die nicht ohne weiteres miteinander gleichgesetzt werden können.
Bis zum Jahre 2011 wurden die einbruchhemmenden Eigenschaften von Bauteilen in Deutschland mit der Abkürzung „WK“ für „Widerstandsklasse“ beschrieben. Mit Einführung der aktuell gültigen Fassung der europäischen Normenreihe wurden auch die Bezeichnungen vereinheitlicht. Während der englische Begriff „resistance class“ in der deutschen Fassung mit „Widerstandsklasse“ übersetzt wird, wird die Kurzbezeichnung der Klassifizierung „RC“ jetzt auch in der deutschen Übersetzung verwendet und nicht mehr wie früher in „WK“ übersetzt.
Widerstandsklasse des Bauteils nach DIN EN 1627:2011-09 | Widerstandsklasse des Bauteils nach DIN V ENV 1627:1999-04 | Widerstandsklasse des Bauteils nach DIN 18106:2003-09 |
RC 1 N | Keine Zuordnung möglich, aufgrund abweichender Prüfanforderungen | Keine Zuordnung möglich, aufgrund abweichender Prüfanforderungen |
RC 2 N | WK 2 | --- |
RC 2 | WK 2 | WK 2 |
RC 3 | WK 3 | WK 3 |
RC 4 | WK 4 | WK 4 |
RC 5 | WK 5 | WK 5 |
RC 6 | WK 6 | WK 6 |
Tabelle 1: Korrelationstabelle mit Zuordnung der Widerstandsklassen
Die Widerstandsklassen nach DIN EN 1627
Bei der Festlegung eines Verfahrens zur Klassifizierung einbruchhemmender Bauprodukte wurden die von Einbrechern angewendeten Angriffsmethoden und die Kriminalstatistiken der europäischen Länder berücksichtigt. Häufig benutzte Werkzeuge wurden den verschiedenen Klassen zugeordnet und in Werkzeugsätze eingruppiert. Die in der DIN EN 1627 aufgeführten Widerstandsklassen sollen das Vorgehen von Gelegenheitstätern aber auch das von erfahrenen und professionell vorgehenden Tätern widerspiegeln. Die einzelnen Widerstandsklassen haben jedoch kein linear ansteigendes Sicherheitsniveau; der deutlichste Schritt zwischen den Klassen RC 3 und RC 4 stellt einen Wechsel zwischen den beiden Tätergruppen dar.
Die Widerstandsklassen RC 1 bis RC 3 berücksichtigen Einbruchversuche, die üblicherweise von Gelegenheitstätern begangen werden, die ohne Erwartung einer bestimmten oder besonders hohen Beute eine sich ihnen bietende Gelegenheit ausnutzen. Dabei werden übermäßige Gewaltanwendung, Lärm und unnötiges Risiko vermieden. Die verwendeten Werkzeuge sind übliche Handwerkzeuge. Da das Risiko entdeckt zu werden für den Einbrecher von Minute zu Minute steigt, führt ein hinreichender Widerstandsgrad oftmals zum Abbruch des Einbruchversuchs.
Die Widerstandsklassen RC 4 bis RC 6 berücksichtigen erfahrene und professionell vorgehende Einbrecher, die ein konkretes Ziel verfolgen und genaue Informationen über die zu erwartende Beute haben. Hier kann von organisierter Kriminalität ausgegangen werden, denn diese Einbrüche sind üblicherweise vorausgeplant und die Täter verfügen über Informationen zu den anzugreifenden Objekten, Bauelementen und Bauarten. Lärmvermeidung spielt keine große Rolle und die Angriffsmethoden werden dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster angepasst.
Widerstandsklasse | Angriffsmethoden (Auszug aus DIN EN 1627:2011-09; Tabelle C.1) |
RC 1 | Der Gelegenheitseinbrecher versucht mit Hilfe einfacher kleiner Werkzeuge und körperlicher Gewalt, z.B. Treten oder Schulterstoß, Zutritt zu erlangen. Er nutzt sich ihm bietende Gelegenheiten aus, verfügt über keine speziellen Informationen zum Widerstandsgrad des Bauteils oder die zu erwartende Beute. Der Einbrecher hat wenig Zeit, vermeidet Lärm und ist nur in geringem Maße zum Risiko bereit. |
RC 2 | Der Gelegenheitseinbrecher versucht zusätzlich, mit Hilfe einfacher Werkzeuge wie z.B. Schraubendreher oder Zange, Zutritt zu erlangen. Er nutzt Gelegenheiten aus und verfügt nur über geringfügige Informationen über den wahrscheinlichen Widerstandsgrad des Bauteils oder die zu erwartende Beute. |
RC 3 | Durch den Einsatz eines Kuhfußes hat der Einbrecher die Möglichkeit, mehr Kraft auszuüben. Er verfügt über einige spezielle Informationen über den möglichen Widerstandsgrad des Bauteils und die wahrscheinliche Beute. Der Einbrecher ist bedingt zum Risiko bereit und muss sowohl Zeit als auch Lärm berücksichtigen. |
RC 4 | Der erfahrene Einbrecher nutzt zusätzlich einen schweren Hammer, Axt, Stemmeisen oder einen Akkuschrauber. Er erwartet eine angemessene Beute und ist vermutlich entschlossen, sich Zutritt zu verschaffen. Ferner ist er weniger beunruhigt in Bezug auf den durch ihn entstehenden Lärm und ist bereit, ein höheres Risiko einzugehen. |
RC 5 | Der sehr erfahrene Einbrecher nutzt zusätzlich Elektrowerkzeuge, z.B. Bohrer, Loch- und Stichsäge und einen kleinen Winkelschleifer. Er erwartet eine angemessene Beute, ist entschlossen, sich Zutritt zu verschaffen und gut organisiert. Er ist kaum beunruhigt in Bezug auf den durch ihn entstehenden Lärm und ist bereit, ein hohes Risiko einzugehen. |
RC 6 | Der sehr erfahrene Einbrecher nutzt zusätzlich Spalthämmer, leistungsstarke Elektrowerkzeuge, z.B. Bohrer, Sägen und einen großen Winkelschleifer. Er erwartet eine entsprechend große Beute, ist entschlossen, sich Zutritt zu verschaffen und sehr gut organisiert. |
Tabelle 2: Zu erwartende Angriffsmethoden und -zeiten
Die drei Bausteine der Einbruchsicherheit
Um ein Bauteil hinsichtlich seiner einbruchhemmenden Eigenschaft zu beschreiben, muss dieses drei verschiedenen Prüfszenarien unterzogen werden, für die es europäische Normen gibt:
DIN EN 1628 – Prüfverfahren, Ermittlung der Widerstandsfähigkeit unter statischer Belastung
DIN EN 1629 – Prüfverfahren, Ermittlung der Widerstandsfähigkeit unter dynamischer Belastung
DIN EN 1630 – Prüfverfahren, Ermittlung der Widerstandsfähigkeit gegen manuelle Einbruchversuche
Widerstandsfähigkeit unter statischer Belastung
Wie zuvor erläutert, ist die DIN EN 1628 auf die Prüfung von Bauelementen, nicht jedoch auf die Bauteile selbst ausgerichtet. Dennoch können die Prüfanforderungen entsprechend auch auf Trockenbaukonstruktionen übertragen werden. Für die Prüfung wird das zu prüfende Bauteil in einen Prüfrahmen eingebaut und mittels eines Druckstempels an verschiedenen Punkten auf Druck beansprucht. Bei einer Metallständerwand sind das in jedem Fall die Verankerungspunkte am Baukörper, es können aber auch Stellen zwischen oder auf den Profilen geprüft werden. Die Prüflast ist dabei abhängig von der zu erreichenden Widerstandsklasse.
Widerstandsklasse | Prüflast F |
RC 1 | 3 kN |
RC 2 | 3 kN |
RC 3 | 6 kN |
RC 4 | 10 kN |
RC 5 | 15 kN |
RC 6 | 15 kN |
Tabelle 3: Punktlasten der statischen Prüfung
Widerstandsfähigkeit unter dynamischer Belastung
Mit der dynamischen Prüfung nach DIN EN 1629 sollen körperliche Angriffe (z. B. Schulterstöße, Fußtritte) ohne Einsatz von Werkzeugen simuliert werden. Ebenso wie bei der statischen Prüfung wird hierzu das zu prüfende Bauteil in einen Prüfrahmen eingebaut, dann jedoch mittels einer Pendelstoßvorrichtung stoßartig belastet. Die Stoßbelastungen sind einmal auf jede Ecke und dreimal auf die Mitte des Probekörpers aufzubringen. Der Probekörper darf während dieser Stoßbelastungen nicht versagen. Die Pendelstoßvorrichtung besteht aus einem an einem Seil aufgehängten Zwillingsreifen mit einer Gesamtmasse von 50 kg. Die Fallhöhe [h] ist dabei abhängig von der zu erreichenden Widerstandsklasse.
Widerstandsklasse | Fallhöhe h |
RC 1 | 450 mm |
RC 2 | 450 mm |
RC 3 | 750 mm |
Tabelle 4: Fallhöhen des Stoßpendels
Widerstandsfähigkeit gegen manuelle Einbruchversuche
Die Widerstandsfähigkeit gegenüber manuellen Einbruchversuchen nach DIN EN 1630 stellt den größten Praxisbezug dar. In Abhängigkeit von der zu erreichenden Widerstandsklasse stehen dem Einbrecher verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, die von den in Tabelle 2 beschriebenen Tätergruppen üblicherweise genutzt werden. Vor der eigentlichen Prüfung werden Vorprüfungen durchgeführt, um mögliche Schwachstellen des Bauteils zu ermitteln. Diese Prüfungen dürfen an beliebigen Stellen mit beliebigen Werkzeugen des vorgesehenen Werkzeugsatzes durchgeführt werden. In der anschließenden Hauptprüfung wird der Einbruchversuch im Bereich der vermeintlichen Schwachstelle des Bauteils durchgeführt. Die Prüfung gilt dann als bestanden, wenn es dem Prüfer nicht gelingt, eine durchgangsfähige Öffnung mit definierten Maßen herzustellen.
Einbruchhemmende Trockenbausysteme
Eine einbruchhemmende Bauweise ist mit im System geprüften und zugelassenen Trockenbauprodukten einfach und wirtschaftlich möglich. Hersteller RIGIPS hat seine einbruchhemmenden Systeme im Planungskompendium „Planen und Bauen“ gesondert gekennzeichnet. Für einbruchhemmende Wandkonstruktionen eignen sich demnach grundsätzlich spezielle Hartgipsplatten, wie z. B. „Rigips Die Harte“, oder auch die besonders robusten Gipsfaserplatten „Rigidur H“.
Systeme mit zusätzlichen Stahlblecheinlagen
Rigips Metallständerwände können mit zusätzlichen Stahlblecheinlagen versehen werden und erfüllen dadurch Anforderungen an einbruchhemmende Bauteile. Diese Systeme wurden an einer Prüfstelle auf ihre einbruchhemmenden Eigenschaften hin getestet und entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit klassifiziert:
Für Wandkonstruktionen und Anschlussdetails mit einer zusätzlichen Stahlblecheinlage je Wandseite liegt mit der gutachterlichen Stellungnahme Nr. 16-004382-PR04 ein Nachweisdokument für die Widerstandsklasse RC 2 vor.
Für Wandkonstruktionen und Anschlussdetails mit zwei zusätzlichen Stahlblecheinlagen je Wandseite liegt mit der gutachterlichen Stellungnahme Nr. 16-004382-PR03 ein Nachweisdokument für die Widerstandsklasse RC 3 vor.
Systeme mit Rigips Habito
Rigips Metallständerwände, die mit der massiven „Rigips Habito“-Platte beplankt werden, können mit nur geringen Zusatzmaßnahmen sogar ohne zusätzliche Stahlblecheinlagen die Anforderungen an einbruchhemmende Bauteile erfüllen. Der Vorteil: Sowohl der Montageaufwand als auch die Kosten für die Stahlblecheinlagen entfallen. Diese Systeme wurden ebenfalls an einer Prüfstelle auf ihre einbruchhemmenden Eigenschaften hin getestet und entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit klassifiziert:
Für Wandkonstruktionen mit Rigips Habito und dem regulären Profilabstand von 625 mm liegt mit dem Übereinstimmungszertifikat Nr. TT-254/2017 ein Nachweisdokument für die Widerstandsklasse RC 2 vor.
Für Wandkonstruktionen mit Rigips Habito und einem reduzierten Profilabstand von 312,5 mm liegt mit dem Übereinstimmungszertifikat Nr. TT-255/2017 ein Nachweisdokument für die Widerstandsklasse RC 3 vor.
Anders als es der Begriff „Leichtbau“ vielleicht vermuten lässt, stehen geprüfte Trockenbaukonstruktionen vergleichbaren Massivbauteilen in puncto Einbruchschutz in nichts nach. Mitarbeiter im Baustoff-Fachhandel können sich mit ihrem Wissen zum Thema als qualifizierte Ansprechpartner für sicherheitsbewusste Bauherren empfehlen.


Um ein Bauteil hinsichtlich seiner einbruchhemmenden Eigenschaft zu beschreiben, muss dieses drei verschiedenen Prüfszenarien unterzogen werden, für die es europäische Normen gibt:DIN EN 1628 (Ermittlung der Widerstandsfähigkeit unter statischer Belastung), DIN EN 1629 (Ermittlung der Widerstandsfähigkeit unter dynamischer Belastung) und DIN EN 1630 (Ermittlung der Widerstandsfähigkeit gegen manuelle Einbruchversuche).

Einbruchhemmende Trockenbaukonstruktionen: Wird mit der massiven „Rigips Habito“-Platte beplankt, können Wände mit Widerstandsklassen RC 2 und RC 3 auch ohne zusätzliche Stahlblecheinlagen realisiert werden.
Autor: Dipl.-Ing. (FH) Andreas Ebbers
Projektleiter Technische Entwicklung & Services, SAINT-GOBAIN RIGIPS