Durch die kontinuierliche sinkende Menge an zur Verfügung stehendem REA-Gips, der im Zuge der Kohleverstromung als Nebenprodukt bei der Rauchgasentschwefelung entsteht, rückt die Gewinnung von Naturgips zur Rohstoffversorgung wieder verstärkt in den Fokus deutscher Trockenbauhersteller. Hierfür werden die vor allem in den Regionen Südharz, Nordhessen, Mittel- und Unterfranken sowie Baden-Württemberg bestehenden Abbaugebiete untersucht und erschlossen. Mindestens ebenso wichtig wie die möglichst naturschützende Nutzung der Steinbrüche ist deren anschließende Renaturierung, weshalb Hersteller wie RIGIPS bereits seit vielen Jahren an nachhaltigen Konzepten für ehemalige und künftige Abbaugebiete forschen und arbeiten. Die Umsetzung dieser Konzepte vor Ort koordiniert und überwacht für RIGIPS unter anderem die Biologin und Landschaftswissenschaftlerin Annika Kruse – und das seit Kurzem mit tierischer Unterstützung.


Vom Abbaugebiet zum Biotop: Aus der Renaturierung von Gipssteinbrüchen ergeben sich zahlreiche Chancen und Impulse, neue und einzigartige Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstehen zu lassen. Fotos: SAINT-GOBAIN RIGIPS GmbH
An sich ist es ein naheliegender Gedanke: Eine Nase, die im Wald verborgene Trüffel erschnüffeln kann, oder bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen nach gefährlichen Stoffen sucht, muss über eine sensible Sensorik verfügen. Eine Sensibilität, die auch im Naturschutz genutzt werden kann und sollte. Entsprechend werden seit einigen Jahren immer mehr Artenspür- und Naturschutzhunde ausgebildet. Diese können zum Beispiel frühzeitig gefährliche Käferschädlinge aufspüren und so dafür sorgen, dass entsprechende Wald-„Quarantänemaßnahmen“ eingeleitet werden können. Darüber hinaus können sie aber auch aktiv zum Schutz bedrohter oder sich wieder ansiedelnder Tierarten beitragen.
„Im Rahmen unserer Steinbruchtätigkeiten – sei es bei der Erschließung eines neuen Teilbereiches oder bei der Renaturierung nicht mehr benötigter Flächen – ist es von essenzieller Bedeutung, einen Überblick über die dort lebenden Tierarten und deren Population zu bekommen. Eine Aufgabe, für die das menschliche ,Auge‘ nur sehr bedingt geeignet ist“, erläutert Annika Kruse, die mit ihren Kollegen für RIGIPS und die Schwestergesellschaft Saint-Gobain Formula rund 20 Standorte betreut. „Daher verwundert es nicht, dass der Einsatz von ausgebildeten Artenschutzhunden in anderen Ländern schon länger praktiziert wird. Doch auch in Deutschland beschäftigen sich inzwischen zahlreiche Studien mit den Potenzialen dieser tierischen Spezialisten in diversen Bereichen.“ Ein Forschungsansatz, den RIGIPS nun mit der Ausbildung des ersten deutschen „Steinbruch- und Artenspürhundes“ unterstützt.


Ob Bläuling oder Gelbbauchunke: Ein genaues Flora- und Fauna-Monitoring in aktiven und ehemaligen Abbaugebieten bildet die Grundlage für nachhaltige Renaturierungskonzepte. Fotos: SAINT-GOBAIN RIGIPS GmbH
Erfolgreiches Tier- und Pflanzenmonitoring
Auftritt „Heliix“: Bereits seit einigen Monaten begleitet die im September 2022 geborene Nova-Scotia-Duck-Tolling-Retriever-Hündin Annika Kruse bei ihren Untersuchungen in den Steinbrüchen. „Diese Phase kann quasi als erste Grundausbildung verstanden werden. Jetzt lernt die Hundedame erst einmal den regulären Steinbruchbetrieb kennen – mit Steinbruchfahrzeugen und Menschen in Schutzkleidung. Und sie kann sich vor allem mit der Landschaft selbst, mit Geröllhalden, Kleingewässern und Abhängen vertraut machen. Anschließend soll Heliix die gezielte Suche nach bestimmten Tier- und Pflanzenarten erlernen und uns so nach Abschluss ihrer Ausbildung beim Flora- und Fauna-Monitoring in den Abbau- und Renaturierungsgebieten helfen.“
Die Biologin sieht große Potenziale zum Beispiel bei der Suche und dem Nachweis sich wiederansiedelnder Zauneidechsen oder bestimmter Amphibien wie der Gelbbauchunke oder der Geburtshelferkröte. Neben der Entwicklung der hierfür erforderlichen Spürsinne sei es für Heliix besonders wichtig zu lernen, das aufgespürte Tier beziehungsweise die gefundene Pflanze ausschließlich anzustarren und auf diese Weise anzuzeigen. „Das Herangehen mit Schnauze oder Pfote ist natürlich ein Tabu. Heliix muss später in schwierigem Gelände auch unter Ablenkung und bei unterschiedlichster Witterung das richtige Tier anzeigen können. Das werden wir in den kommenden circa zwei Jahren in vielen kleinen Schritten trainieren.“


Die etwas andere Auszubildende bei RIGIPS: Die Retriever-Dame Heliix wird derzeit zum ersten Artenspür- und Biodiversitätshund Deutschlands mit dem „Spezialgebiet Steinbrüche“ ausgebildet. Foto (li.): Saint-Gobain Formula GmbH, Foto (re.): SAINT-GOBAIN RIGIPS GmbH
Unterstützung zahlreicher Forschungsprojekte
Absolviert Hundedame Heliix diese Ausbildung mit Erfolg, werden ihre Fähigkeiten auch für Forschungsprojekte wie das des Berliner Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) von elementarer Bedeutung sein. Dessen Ziel ist die Entwicklung eines praxistauglichen Biodiversitätsmonitorings in Abbauflächen. Darüber hinaus untersuchen aktuell die Artenschutzspezialisten der Universität Bayreuth die Artenvielfalt der Pflanzen unter anderem in von RIGIPS genutzten Steinbrüchen. „Aus der Renaturierung von Steinbrüchen ergeben sich zahlreiche Chancen und Impulse, neue und einzigartige Biotope entstehen zu lassen. Studien zeigen, dass insbesondere das Zulassen von Sukzession, also der natürlichen Abfolge charakteristischer Lebensgemeinschaften ohne menschliche, an ökonomischen Zwecken orientierte Einflussnahme, dazu führt, dass sich Steinbrüche zu kleinen Biodiversitäts-Hotspots entwickeln können. Sie werden so zu Refugien für spezialisierte und gefährdete Arten“, so Annika Kruse.